Mittwoch, 23. September 2015

Frühherbst - Herbstgedicht von Agnes Miegel


Frühherbst

Die Stirn bekränzt mit roten Berberitzen
steht nun der Herbst am Stoppelfeld,
in klarer Luft die weißen Fäden blitzen,
in Gold und Purpur glüht die Welt.

Ich seh hinaus und hör den Herbstwind sausen,
vor meinem Fenster nickt der wilde Wein,
von fernen Ostseewellen kommt ein Brausen
und singt die letzten Rosen ein.

Ein reifer roter Apfel fällt zur Erde,
ein später Falter sich darüber wiegt –
ich fühle, wie ich still und ruhig werde,
und dieses Jahres Gram verfliegt.


Agnes Miegel (1879 – 1964)


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